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Wir sind THE PRAKTIKER, Grabräuber des Rock’n’Roll.
Drei durchaus auch mal schlecht gelaunte ältere Herren mit wenig Zukunft aber reichlich Vergangenheit. Hinzu kommt eine junge, hochprofessionelle Schlagzeugerin, deren Bereitschaft, mit uns gemeinsam Lärm zu machen, zu den unverstandenen Wundern gehört, die man sich wohl nicht verdienen kann. Unsere Hobbys sind: Den Mädchen hinterhergucken (ja, den Mädchen hinterhergucken!), jüngere Bands Scheisse finden und zum Arzt gehen.
Musikmachen ist für uns kein Hobby, sondern Lebensnotwendigkeit. Wir müssen das machen. Andere müssen Golf spielen oder Oldtimer sammeln. Die treffen wir aber nie, weil die nicht zu unseren Konzerten kommen.
Wir spielen kein Golf, sondern Rock’n’Roll. Das kann man sich nicht aussuchen.Das packt einen und lässt nicht mehr los. Das muss frech sein und dreckig und unerwartet und vor allem laut! Viele Freunde macht man sich mit so was nicht unbedingt. Da darf man sich nichts vormachen als Amateurband. Die Leute hören sich laute Musik grundsätzlich nur dann an, wenn sie viel Eintritt dafür bezahlt haben. Und wir kosten leider nicht viel.
Damit hier keine Missverständnisse entstehen: Wir sind keine verkannten Rock’n’Roller, wie man sich das vielleicht so vorstellt. Wir gehören keinem Stamm an, und es gibt welche, die nehmen uns das übel. Wir pflegen einen eher unauffälligen Lebensstil. Wir sind nicht tätowiert. Keiner. Nirgends. Ausser höchstens….aber, ach, das ist nun auch nicht so wichtig. Was soll`s.
Wie schrecklich indes, wenn wir so was wie lokale Rockstars wären und herumlaufen müssten wie Alice Cooper oder Lemmy und ballermannartige Kumpanei ertragen müssten. Niemand soll uns auf die Schultern klopfen dürfen und uns coole Rock’n’Roller nennen.
Das tut aber auch niemand, denn dazu machen wir zuviele Fehler.
Es ist ein Fehler, bei Auftritten zu sagen: „Hallo Ihr kleinen Rock'n'Roll Rebellen! Seid ihr auch ausreichend tätowiert?“ Das kommt nicht gut. Sowas nehmen die Leute einem übel. Da gerät man schnell in den Ruf, ein intellektueller Klugscheisser zu sein. Und intellektuelle Klugscheisser sind nicht gerne gesehen in Rock'n'Roller Kreisen. Das hätten wir wissen müssen. Aber so schlau sind wir dann auch wieder nicht. Nein, wir hätten das nicht sagen sollen. Da liegt kein Segen drauf, auf Rock'n'Roll Bühnen ironisch sein zu wollen. Das sollte man nicht tun. Aber wenn man halt nicht ganz sicher ist, ob denn der Rock'n'Roll überhaupt noch lebt? Vielleicht ist Rock’n’Roll ja doch tot. Tot, tot, tot!
Jaja, ein armseliges Häuflein Unverbesserlicher stochert vielleicht noch in der Asche herum – aber wozu? Eine Freundin behauptet, sie habe gesehen, wie der Rock’n’Roll schon vor Jahren auf dem Sofa von Thomas Gottschalk gestorben, bzw. „mehr so durch die Ritzen weggeglibbert“ sei.
Nein, wir sind nicht cool, sind es nie gewesen. Nicht cool genug für Thomas Gottschalk und nicht für die Batschkapp. Leidenschaft ist nicht cool, Leidenschaft brennt. Und wir brennen für unsere Musik. Verrückt genug.
Es gibt Leute die sagen, das hört man uns an. Immer noch. Das sind dann unsere Freunde. Die verstehen, dass wir das machen müssen, dass wir gar nicht anders können als uns abarbeiten an Zeug, welches wir mal vor dreissig oder mehr Jahren gehört haben. Herumwursteln an obskuren Erinnerungen und Fundsachen. Sich im fortgeschrittenen Alter noch aufführen, als hinge von einem gelungenen Riff oder einer Gesangslinie das Heil der Welt ab.
Und wenn man dann mal öffentlich spielen will, immer wieder unwürdiges Geschacher mit Clubbesitzern und jammernden Kneipenwirten. Muss man sich das noch antun? Ja, man muss. Man hat doch keine Wahl.
Ausserdem: Wissen Sie, warum ein Hund sich die Eier leckt? Weil er's kann. Wir sind unbescheiden genug zu sagen und zu zeigen, was wir können. Echte Hochleistungsträumer müssen so sein. Die können nicht einfach mal eben so sagen, „ach, dann mache ich vielleicht doch lieber Ikebana“. Da müssen wir jetzt mit leben. Das wird jetzt durchgezogen bis zum bitteren Ende.
Sie werden sich wahrscheinlich jetzt nicht fragen, „was ist denn das eigentlich - Rock'n'Roll?“. Aber wir fragen uns das. Da sind wir ziemlich eigen. Ständig und immer wieder haben wir uns die Frage nach dem Rock'n'Roll gestellt und sind darüber schrecklich alt geworden. So alt, dass wir eigentlich ins Jazzfach oder auf jeden Fall zu etwas Leiserem wechseln sollten. Aber dann haben wir gelesen, dass Rock'n'Roll schon lange keine Jugendmusik mehr sei, ja, im Gegenteil zunehmend von alten Menschen praktiziert und konsumiert werde, weil die jüngeren ja unsere Rente bezahlen müssten und deshalb keine Zeit dazu hätten. Nun sagt man alten Leuten ja nach, sie seien entweder verblödet oder weise. Von uns kann man sagen, dass wir auf eigentümlich verschwurbelte Art wahrscheinlich beides sind. Wir machen furchtbar peinliche Sachen auf der Bühne, wissen das aber.
So eine Band muss man erst mal finden. Die Peinlichkeiten des Rock'n'Roll lassen sich nicht mit jeder x-beliebigen Band ertragen. Da muss man schon Leute um sich haben, die verstehen, dass Rock'n'Roll eben nicht ist, wenn man alles richtig macht. Wer alles richtig machen will, sollte Top-40 und Funk spielen und sich bei den Rotariern bewerben.
Grabräuber müssen damit leben, dass ihre Fundsachen Dellen und Schrammen haben und manchmal nur noch ganz kleine Fragmente eine Idee des Ganzen darstellen können. Grabräuber des Rock'n'Roll sind bescheidene Menschen und können die Spannung des Halbfertigen aushalten und den Zauber des Unvollkommenen erkennen. Und manchmal scheint sich die Mühsal dann doch zu lohnen. Im Grimmbunker zu Offenbach sowie bei unseren wenigen Auftritten kann es immer noch zu Erweckungserlebnissen nicht mehr geglaubter Art kommen.
Berufen, die Grabkammern zu öffnen, vor denen es andere graust, schnüffeln wir an alten Knochen herum, legen Skelette frei und bringen verstaubte Juwelen zu neuem Glanz. Auf einmal knallt es, fetzt es, powert und treibt es, dass man fast meinen möchte, Rock’n’Roll lebt. Menschen allen Alters fühlen sich unvermittelt bemüßigt, von ihren Sitzen aufzuspringen, um Leib und Glieder zu schütteln, wie sie es zuletzt vielleicht in den Tagen der großen Talking Heads getan haben.
Wir sind THE PRAKTIKER, Grabräuber des Rock'n'Roll.
Ob das ein guter Bandname ist? Eher nicht. Aber sind „The Queen“ oder „Nirvana“ gute Bandnamen?
In den Achzigern ab es eimal eine amerikanische Punkband, die nannte sich „The Nipple Erectors“. Das ist ein guter Bandname! Besser kann man Rock'n'Roll kaum zusammenfassen.
Also nochmal, was soll's. Wir sind THE PRAKTIKER, Grabräuber des Rock'n'Roll. Unser Ziel ist es, Leute zu finden, die unser Equipment aus dem 4. Stock des Probebunkers runter und wieder hochschleppen, wenn wir das nicht mehr können. Und das wird sehr bald sein.
Wir wollen noch ein paar Gigs unter halbwegs würdevollen Bedingungen spielen und uns dabei fühlen, als sei etwas wirklich Wichtiges geschehen. Das ist unsere Lebenslüge. Was ist Ihre?

www.thepraktiker.com - Stand 20.12.2017